Corona-Impfung und der plötzliche Herztod? Versuch einer Aufklärung ─ Teil 3


The Exposé

 

Es fällt mir schwer, unvoreingenommen an The Exposé heranzutreten. Das liegt vor allem - und mal wieder - am Menüpunkt About Us der Website. Dort steht:

 

"The Exposé was set up due to a lack of alternatives to the lying mainstream media, and a lack of alternatives which report only the facts. Other alternative media sites are happy to publish articles backed up with zero or questionable evidence. Whereas the mainstream media simply refuse to publish the truth or publish half-truths, spun in a way to suit the narrative of the very authorities which are funding them through advertising fees for publishing propaganda."

 

Wenn gleich von Lügenpresse und Propaganda die Rede ist, darf man die präsentierten Daten gerne mit Zurückhaltung betrachten. Warum überhaupt sollte ich mir diese Website antun? Auch darauf hat The Exposé eine Antwort:


"The No.1 reason you should trust ‘The Exposé’ is that all our investigations are based on official data such as the Office for National Statistics, the NHS, and the UK Government, and we link back to all our sources within every article."


Wir können also beinharte Fakten erwarten. Der betreffende Artikel knallt einem jedenfalls im Titel gleich mal ungeheure Zahlen vor den Latz:

"Investigation finds 278% increase in Worldwide Heart Attack Deaths among Soccer Players in 2021 so far"

Welche Untersuchung da gemeint ist, bleibt offen. Auch The Exposé nennt übrigens keine Namen – die Autorenzeile lautet verschwörerisch "By a concerned reader". Von mir aus. (So oder so ist der Titel falsch, wie wir noch sehen werden.) Auch hier möchte ich nochmal betonen, dass es mir nicht darum geht, eine Lösung zu präsentieren. Was ich aufzeigen möchte: Warum die Anaylse von The Exposé nicht zutrifft und was genau dabei falsch gelaufen ist. 

 

Anders als GoodSciencing oder andere Listen macht The Exposé sich immerhin etwas Mühe, den Sachverhalt methodisch anzugehen und in einen Kontext zu stellen. Verglichen werden nur die Zahlen für männliche Fußballer, die während des Spiels an Herz-Kreislauf-Problemen verstorben sind ("Male Cardiovascular Football Match Deaths"). Das sollte die Sache vereinfachen, weil sehr viel weniger Fälle übrig bleiben. Stattdessen wird es leider noch unübersichtlicher. Denn für 2021 listet The Exposé 22 Fälle auf. Und da geht es schon los: Woher kommt dieser Wert? Das zu beantworten ist nicht ganz einfach. Angeblich zieht man vier Quellen zu Rate, neben GoodSciencing auch Solitarius.org, Peckford42 sowie Stephen.Substack. Das Problem ist, dass jede dieser Quellen wiederum andere Zahlen für die gesuchte Personengruppe vorweist.

 

Wie man aber daran sieht und anders als behauptet, bedient The Exposé sich in diesem Fall also keineswegs der offiziellen Daten "such as the Office for National Statistics, the NHS, and the UK Government", sondern kopiert sich die Sachen aus dem Netz zusammen. Soviel zum vertrauenswürdigen Vorgehen.

 

Hinzu kommt, dass der The Exposé noch eine eigene Liste veröffentlicht, auf der sich wiederum 24 Einträge finden. So bleibt die Frage: Welche Fälle wurden denn nun in die 22 einbezogen, die man berücksichtigt hat und warum? Genau diese Frage habe ich am 10. Dezember per Mail an The Exposé gestellt. Wie zu erwarten, blieb eine Antwort bislang aus.

 

Ich kann also nicht sagen, wie der Auswahlprozess zustande gekommen ist, aber konzentrieren wir uns mal auf die abschließende Liste, die The Exposé vorlegt. Für 2021 werden 22 Spieler gelistet, die auf dem Feld verstorben seien, für den Zeitraum 2009-2020 sind es pro Jahr deutlich weniger. Für 2015 immerhin haben wir ja ansatzweise so etwas wie einen Vergleich. Also schauen wir mal, ob das passt.

Laut The Exposé gab es im Jahr 2015 zehn Fälle von SrSCD auf dem Fußballplatz. Weltweit. Diese zehn Fälle hat The Exposé augenscheinlich einem Wikipedia-Artikel entnommen: "List of association footballers who died while playing". Ähnlich dem Prozedere der reinen Fallsammlung mittels Medienberichten, ist auch dieses Vorgehen ein Problem.

 

Zunächst: Schaut man bei Wikipedia nach, sind für 2015 zwölf Fälle aufgeführt. Zwei davon können auf Schädel-Hirn-Traumata zurückgeführt werden, also bleiben zehn Fälle übrig, in denen vermutlich ein SrSCD vorliegt. Aber: Ich weiß nicht, nach welchen Kriterien die verstorbenen Spieler ausgewählt wurden! Geht es um Freizeitkicker oder ausschließlich Vereinsspieler? Und falls es Vereinsspieler sind: Amateur- oder Profiliga? Dazu gibt es keine Angaben seitens The Exposé oder Wikipedia. Schauen wir in der Liste nach, findet sich dort z.B. der Verein Germania Niederrodenbach. Dessen  1.  Mannschaft spielt in der Kreisoberliga. Oder der irische Belvedere Football Club, der Teil der Dublin & Distric Schoolboys League ist - einer Kinderliga. Es gelten also offensichtlich auch reine Amateurspieler.

 

Wenn dem aber so ist, stellt die Wikipedia-Liste keine zuverlässige Quelle dar. Denn für das Jahr 2015 hat meine eigene Recherche für Deutschland mindestens vier weitere Fälle ergeben:

 

1. Florian Glindemann (25)

2. Thomas G. (23)

3. Ungenannter Spieler (56)

4. Ungenannter Spieler (11)

 

Schon aus einem einzigen Land also sind vier Fälle nicht bei Wikipedia gelistet. Damit ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es für den Rest der Welt noch deutlich mehr sind. Und das ist das Problem mit Wikipedia-Listen: Sie sind nicht nach wissenschaftlichen Kriterien erstellt und sollten daher auch nicht für quasi-wissenschaftliche Auswertungen herhalten. Sie sind unvollständig, das steht schon im ersten Satz des Wikipedia-Artikels (Hervorhebung von mir):


"The following is an incomplete list of association footballers who died while playing […]"

 

Dass es weit mehr Fälle geben muss, erschließt sich aus den in Teil 2 besprochenen Inzidenzen, die derart niedrige Fallzahlen, wie sie von The Exposé präsentiert werden, unglaubhaft erscheinen lassen. Gestützt wird diese Annahme von den Daten der FIFA Sudden Death Registry (Egger et al., 2020). Über fünf Jahre (2014-2018) wurden Fälle von SrSCD bei FIFA-registrierten Spielern gesammelt und ausgewertet. Insgesamt sind in diesem Zeitraum 475 Spieler verstorben. 96 Prozent davon männlich (= 465). Das ergibt im Schnitt 91 Todesfälle pro Jahr. Selbst wenn sich davon nur ein Fünftel auf dem Platz zugetragen haben sollte, würde das alle Berechnungen von The Exposé korrumpieren und die Schlussfolgerungen zunichte machen. Eine kurze Suche für das Jahr 2011 (laut Wikipedia: drei Fälle) fördert schon auf der ersten Ergebnisseite von Google einen weiteren Fall zu Tage. Es ist also davon auszugehen, dass es sowohl für 2011 als auch für die anderen Jahre noch eine ganze Reihe weiterer Fälle gibt, die nicht auf der Wikipedia-Liste geführt sind.

 

Ob das dem Autor der The Exposé-Analyse bekannt ist, kann ich nicht sagen. Aber wir können damit belegen, dass der Artikel sich auf nachweislich lückenhafte Daten stützt und daraus einen statistischen Trend konstruiert, der bei genauerer Betrachtung stark angezweifelt werden muss.


Im Detail falsch ist dann die Überschrift, die explizit von einem Anstieg der Fälle um 278 % spricht ("278% increase"). Tatsächlich beträgt der Anstieg von 7,9 auf 22 Fälle "nur" 178 Prozent, aber das ist vielleicht einem Tippfehler geschuldet.

Fazit

 

Was ich explizit kritisieren möchte: Impfgegner beklagen häufig, dass Medien und Regierung ein Klima der Angst verbreiteten, um ihre Agenda einer Impfpflicht durchzuboxen. Gleichzeitig werden "Todeslisten" erstellt und geteilt, deren Daten - soweit ich sehe - nicht haltbar sind, und die exakt dieselbe Wirkung haben: Angst und Unsicherheit streuen. Sie bedienen sich damit derselben Mechanismen, die sie anderen vorwerfen.

 

Ich kann nicht sagen, wie die korrekten Zahlen aussehen. Das ist auch nicht Sinn und Zwecke dieser Artikelserie. Mir geht es darum aufzuzeigen, wieso man nicht allen Listen glauben sollte und dass man mit Zahlen hervorragend blenden kann. Ob und inwieweit die derzeitigen Corona-Impfungen einen negativen Effekt auf die Gesundheit haben und haben werden, kann ich nicht sagen. Das wird sich erst in den kommenden Jahren sagen lassen. Bis dahin müssen wir warten.



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